Die Gewänder UNSERER LIEBEN FRAU

Unser Gnadenbild der lieben Muttergottes in der Hl. Kapelle von Altötting nennt zahlreiche „Gnadenröckl“ Ihr Eigen. Deren Herkunft sowie Entstehungsgeschichte ist nicht für alle Prunkgewänder vollumfänglich bekannt. Mit Hilfe von Reinhard Zehentner, der in der Landesstelle für nichtstaatliche Museen in Bayern für den Bereich Konservierung und Restaurierung zuständig war und mittlerweile im Ruhestand ist, versuchen wir dennoch bestmöglich, Ihnen das Wesentliche über die Gewänder von „Maria mit dem Jesuskind“ näher zu bringen. 

Ein Abt aus dem Kloster Raitenhaslach soll die Marienstatue unter Stiftspropst Ludwig d. Granns (1358-1361) nach Altötting gebracht haben. Die Wallfahrt nach Altötting erlebte durch die beiden Marienwunder im Jahr 1489 ihren Aufschwung. Eine Handreichung von 1518 zeigt das Gnadenbild erstmalig in festlicher Gewandung und Bekrönung. Die Stoffe wurden zunächst aus den Brautkleidern bayerischer Prinzessinnen aus dem Hause Wittelsbach gewonnen, die sie als Opfergabe für das „Gnadenbild“ spendeten. Die Kronen und das Kronenzepter sind eine Stiftung des bayerischen Herzoghauses der Wittelsbacher zu Zeiten des Kurfürst Maximilian I. (17. Jhd.). Der Goldschmied ist unbekannt. Der prächtige Ring, den das Gnadenbild ziert, ist ein Geschenk von Papst Benedikt XVI. anlässlich seines Altötting Besuches im September 2006. Es ist sein Kardinalsring, welchen er von seinen Geschwistern anlässlich seiner Aufnahme in das Kardinalskollegium im Juni 1977 als Geschenk erhielt.

Insgesamt sind annähernd zwanzig Gewänder in der Bischöflichen Administration zur Hl. Kapelle für das Gnadenbild aufbewahrt. Die ältesten „Gnadenröckl“ sind im dortigen Museum ausgestellt. Das älteste Gewand daraus stammt wohl aus dem 17. Jahrhundert. Dieses wurde von der Kurfürstin Adelaide von Savoyen, der Frau von Ferdinand Maria, Kurfürst von Bayern, gestiftet.

Es werden entsprechend der Liturgie im Wesentlichen vier „Kleiderordnungen“ unterschieden.

  • Während des Kirchenjahres - das wohl bekannteste und schönste Gewand:

    Aus Silbergrund mit goldenem Ornamenten und schwarzer Skapuliere mit reichem Schmuck.

    Der Materialgrundstoff des Kleides besteht aus Silber-Lamé.  Die Goldeinfassung besteht aus Metallborte, Zackenbouillon und Lahn sowie handgeklöppelter Muschelborte. Das Sichtdekor zeigt Blüten und Blätter, welche in sog. Sprengtechnik über Kartonornamente gearbeitet wurden.
    Die Entstehung des Kleides wird auf das Ende des 18. Jahrhunderts datiert, welches aber vermutlich erst nach 1900 auf den Silber-Lamé übertragen wurde. Die Skapuliere von Mutter und Kind bestehen aus schwarzem Seidensamt auf verstärktem Unterlager (Karton oder Leinen), verziert durch eine Vielzahl an wunderbaren Kostbarkeiten, wie diverse Perlsorten (Fluss- und Orientperlen, Brillanten, rote Granate, Turmalien, aber auch weiße Glassteine. Dieser reiche Schmuckdekor aus Ringen, Broschen, Anhänger, Kreuze, usw. stammen aus Votivgaben von Wallfahrern. Die angedeuteten Blüten von Passionsblumen wurden in Sprengtechnik über Leinen oder Kartonornamente aus Gold-Lahn gearbeitet. Diese Skapuliere sind wohl in der Zeit nach 1911, vermutlich also nach der Konservierung des Gnadenbildes,   Stifter und Auftraggeber sind unbekannt; es handelt sich vermutlich um eine Klosterarbeit der Englischen Fräulein CJ, Altötting.

  • Das Ornat für die „Fasten- und Adventszeit“: Blaues Seidenkleid mit Silberstickereien - ohne Skapuliere.

    Das Material des Kleides besteht aus dunkelblauem Seiden-Moiré mit Silberstickereien in Sprengtechnik. Diverse silberne Metallborten in Muschel- und Wellenform verzieren es, mit Silberfaden in Sprengtechnik über Kartonornamente meisterhaft gearbeitet, welches das Dekor - Blüten von Wicken und Passionsblumen mit Rankenwerk - ganz besonders zur Geltung bringt.
    Die Entstehung dieses Gewandes wird in die Zeit um 1910/20 datiert, gestiftet durch die Herzogin Adelgundis von Modena, die Schwester von Prinzregent Luitpold von Bayern.
  • Für die Liturgie an „Ostern und Weihnachten“: Weißes Kleid mit Goldstickerei - ohne Skapuliere.

    Dieses Kleid besteht aus weißer Seide. Die Goldstickereien sind wiederum in Sprengtechnik gearbeitet. Diverse goldene Metallborten in Muschel- und Wellenform und verschiedenste bunte Glassteine verzieren es zu ausgesprochen edler Optik. Es entstand in der Zeit um 1905. Gemäß einem Vermerk auf der Rückseite des Kleides steht es mit der norditalienischen Herzogin de‘Ferrari aus Genua in Verbindung. Genauere Hintergründe sind nicht bekannt.
  • Das Ornat für „Pfingsten“: Rotes Samtkleid.

    Die Unterkleider sind aus Goldbrokat mit roter Konturierung gefertigt. Maschinelle Goldborten in diversen Formen verzieren es. Das Skapuliere aus rotem Baumwollsamt ist mit Schmuck aus gestifteten Anhängern, Broschen, Kreuzen und diverseren Halbedelsteinen reichlich besetzt. Das sternenförmige Blumendekor wird durch eine goldene, bandförmige Metallborte umrandet, welches in seinem inneren Rand von einer Kette dunkelroter Granaten durchsetzt ist.
    Dieses Gewand entstand im Jahr 2007, in Handarbeit durch die Zisterzienserinnen von Thyrnau. Den Auftrag hierzu erteilt der damaligen Wallfahrtsrektor und Administrator Prälat Alois Furtner, der bis Ende Mai 2017 auch der Vorsitzender unseres Altöttinger Marienwerks war.

In liturgischer Ergänzung kommen auch noch ein einfache blaues Kleid ohne Skapuliere („Aschermittwoch“) und ein violett farbiges Kleid („Fasten- und Adventszeit“) zum Einsatz.
Ersteres wurde durch Reinhard Zehentner gestiftet, welches im Jahr 2005 durch Sr. M. Theresia Eichinger, CJ, Altötting, aus dunkelblauem Baumwollsamt mit weißer Baumwollspitze und goldener Metallkordel angefertigt wurde. Der Halsausschnitt des Madonnenkleides wird durch eine zweireihige Perlenkette geschmückt, welche eine ungenannte Frau an die Muttergottes von Altötting stiftete. Dieses Kleid dient dem Schutz des Gnadenbildes und der historischen Bekleidung im Rahmen der alljährlichen Gnadenbildverehrung („Gnadenbildkuss“), bei der Gläubige Gegenstände am „Gnadenröckl“ berühren lassen oder dieses selbst berühren können.
Das violett farbige Kleid, welches eine ungenannte Gönnerin aus dem Großraum Augsburg aus großer Dankbarkeit für die Muttergottes gestiftet hat, wurde durch die Schwestern der Zisterzienserinnenabtei St. Josef in Thyrnau angefertigt, welche  es im Jahr 2017 fertigstellten. Es besteht aus violettem Seidenstoff. Stickereien aus Japangold formen vergoldete Ranken und Pailletten.  Die Blüten der insgesamt 70 Blümchen bestehen aus echten Edelsteinen, welche in goldener Krabbenfassung eingearbeitet wurden.

Im Übrigen: Das Umkleiden des Gnadenbildes ist alleine dem Wallfahrtsrektor und Administrator der Hl. Kapelle oder im Ausnahmefall seinem Stellvertreter vorbehalten.

(c) Altöttinger Marienwerk 2019